Schreibseminar und Schabernack in Schihüttenatmosphäre: Viertes Socratic in Haus im Ennstal

08.01.2020

Reges Treiben im idyllischen Kolpinghaus

von Günther Schaunig

Bereits zum vierten Mal fand von 6. bis 8. Januar 2020 das mittlerweile traditionell gewordene Socratic-Seminar in Haus im Ennstal statt. Neben den gewohnten Seminarleitern Univ.-Prof. MMag. Dr. Michaela Windisch-Graetz und Univ.-Prof. Mag. Dr. Franz-Stefan Meissel bereicherte Univ.-Prof. Mag. Dr. Ebrahim Afsah das Beisammensein. Die vertrauenserweckende Schihüttenatmosphäre genossen insgesamt zehn Fellows der rechtswissenschaftlichen Vienna Doctoral Academy (Lena Kolbitsch, Thomas Dullinger, Klara Holzner, Julian Pehm, Laura Sophie Moser, Clemens Nigsch, Anna Novitskaya, Florian Scholz-Berger, Maria Lee und Günther Schaunig).

Acht Fellows reichten Texte zu folgenden Themen ein: „Glosse zu dem Urteil des OGH 2 Ob 49/19y“ (Klara Holzner), „These considerations do not imply any criticism towards the applicant“ – Eine kritische Anmerkung zum Umgang des EGMR mit Opfern häuslicher Gewalt anhand von Kurt/Österreich“ (Susanne Gstöttner/Lena Kolbitsch), „Sex-Segregated Services and the Recognition of Sex/Gender“ (Maria Lee), „Zu den Rechtsfolgen des ius offerendi gemäß § 462 ABGB“ (Laura Sophie Moser), „Zivilrechtlicher Schutz bei überhöhten Arzneimittelpreisen“ (Julian Pehm), „Form der Klageeinschränkung und (Un-)Einheitlichkeit der Judikatur“ (Florian Scholz-Berger), „Zwei wissenschaftliche Geschichten der actio im Römischen Recht“ (Anna Novitskaya, Auszug aus der Dissertation) und „Die Rechtfertigungsebene im Rahmen der Gleichheitsprüfung im Abgabenrecht (Teil II)“ (Günther Schaunig, Auszug aus der Dissertation).

Ungewohnt war – im Vergleich zu früheren Socratic-Sessions – die Dominanz des Privatrechts: Die klar überwiegende Zahl sowohl der Teilnehmenden als auch der diskutierten Texte stammte aus Bereichen des Privatrechts. Dagegen war das Öffentliche Recht kaum repräsentiert. Zum Öffentlichen Recht gehören etwa das Strafrecht und das Abgabenrecht: Hier agiert ein Rechtssubjekt in Ausübung von Hoheitsgewalt, also mit einseitiger Anordnungsbefugnis (beispielsweise Anordnung von Freiheitsstrafen und Vorschreibung von Steuern). Das Privatrecht regelt demgegenüber die Rechtsbeziehungen zwischen rechtlich – grundsätzlich – gleichgestellten Rechtssubjekten (beispielsweise Abschluss eines Kaufvertrags beim Greißler). In einer hochdifferenzierten Rechtsordnung bestehen zwischen diesen beiden großen Teilbereichen der Rechtsordnung naturgemäß Schnittstellen: Auf diese Schnittstellen fokussiert etwa das kürzlich an der Fakultät neu gegründete Institut für Innovation und Digitalisierung im Recht, das sich insbesondere mit Rechtsfragen rund um IT/IP aus einer europäischen Perspektive, mit Schwerpunkten im Datenschutz-, Urheber-, E-Commerce- und Verbraucherschutzrecht, aber auch mit Legal Tech und Innovationen in den juristischen Berufsfeldern befasst. Dennoch ist die prinzipielle Spezialisierung von Juristinnen und Juristen im Öffentlichen Recht oder im Privatrecht üblich und – angesichts der komplexen Rechtsfragen unserer modernen Welt – auch geboten. Umso bemerkenswerter ist vor diesem Hintergrund die Einlassung der Fellows auf „fachfremde“ Texte. Das innovative Socratic-Format bietet auf diese Weise auch den idealen Raum zur Horizonterweiterung für junge Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler.   

Gewohnt war die unkompliziert-lockere Atmosphäre. Beim Socratic in Haus im Ennstal bleibt vor allem auch Zeit zum Spielen. Die berüchtigte Kegelbahn war zwar geschlossen, doch spielten die Professorenschaft und die Fellows dieses Mal Activity. Hier müssen die Teilnehmenden etwa durch Pantomime Begriffe erraten, beispielsweise – recht einfach – „Donald Trump“ oder – recht schwierig – „Verkürbissung“ (die Verwandlung in einen Kürbis, angelehnt an Senecas „Apocolocyntosis“, Die Verkürbissung des Kaisers Claudius). Und auch sonst kam man sich auf engstem Raum näher. Und so sind letztlich die gemeinsamen Erlebnisse immer auch Vermessungsversuche von Vergemeinschaftung.