Soziale Kohäsion und Recht – Aktuelle Herausforderungen

05.08.2022

Nach dem Impulsvortrag von Nikolaus Forgó luden Iris Eisenberger und zwei ihrer Assistent:innen, Magdalena Nemeth und Annemarie Hofer, dazu ein, das Thema „Soziale Kohäsion und Recht – Aktuelle Herausforderungen“ zu diskutieren.

von Elias Pock

Iris Eisenberger stellte eröffnend fest, dass Soziale Kohäsion zwar in den vergangenen Tagen oftmals statistisch umrissen wurde, bislang aber noch keine Definition dafür vorgestellt wurde. Daher lautete die Frage in die Runde, was denn unter diesem Begriff zu verstehen sei. Anders als im juristischen Alltag üblich waren die Teilnehmer:innen aber nicht dazu angehalten, dies in Worten auszudrücken – das eigene Verständnis von Sozialer Kohäsion sollte grafisch dargestellt werden. Dieser Vorgriff auf das kunsthistorische Gespräch produzierte so manches Meisterwerk: Die Illustrationen reichten von Gruppierungen, die miteinander kooperieren und in Konflikt stehen, bis hin zu Skizzen mit abstrakten Gebilden unterschiedlicher Form und Größe.

Im Anschluss wurden die Zeichnungen getauscht und von anderen Teilnehmer:innen interpretiert. Trotz der Unterschiede in der grafischen Umsetzung hatten die Zeichnungen im Kern die Gemeinsamkeit, dass Vielfalt und Individualität mit Einigkeit und Zusammenhalt kombiniert waren. Iris Eisenberger schloss diesen ersten Block der Arbeitsgruppe mit der Definition des Europarats von Sozialer Kohäsion: Sie ist „die Fähigkeit einer Gesellschaft, das Wohlergehen all ihrer Mitglieder zu sichern und durch Minimierung von Ungleichheiten und Vermeidung von Marginalisierung Unterschiede und Spaltung zu bewältigen sowie die Mittel zur Erreichung des Wohlergehens aller zu gewährleisten“ (Die neue Strategie und Aktionsplan des Europarates für soziale Kohäsion vom 7. Juli 2010).

Der zweite Teil des Workshops setzte ebenso interaktiv fort: Die Teilnehmer:innen teilten sich in vier Untergruppen, wo sie der Frage nachgehen sollten, ob und inwieweit das Recht Soziale Kohäsion fördern kann. Dazu erhielten sie aktuelle Zeitungsausgaben mit dem Auftrag, darin Positiv- und Negativbeispiele zu finden und sie anschließend zu präsentieren.

Das Durchforsten und Aufbereiten der Nachrichten förderte Einiges zutage: Die ersten zwei Gruppen fanden etwa symptomatische Beispiele für ökonomisches Ungleichgewicht und Ungleichbehandlung der Geschlechter, die (auch) durch das Rechtssystem geschaffen oder verfestigt wurden. Die fortan eingeschränkte Möglichkeit Kredite aufzunehmen befand die Gruppe als einen Fall der Überregulierung und Bevormundung ökonomisch schwächerer Bevölkerungsgruppen. Derzeit diskutierte Pensionserhöhungen wurden als weitere Belastung des (am Vortag bereits angesprochenen) Generationenvertrags ausgemacht.

Aufmunternde Anwendungsfälle des Zusammenspiels zwischen Recht und gesellschaftlichem Zusammenhalt sollten die restlichen zwei Gruppen wiedergeben, was – so deren Gefühl – etwas schwerer fiel. Sie stießen aber auf Berichte über Bestrebungen die Natur vermehrt für alle zugänglich zu machen, was sowohl gesellschaftlichen Austausch fördern als auch unter dem Aspekt von climate justice eine Rolle spielen könne. Auch Beispiele für den verstärkten intergenerationellen Diskurs waren zu finden. Außerdem sah eine Gruppe in der aktuellen Energiekrise eine Chance, durch Recht Umverteilung und eine universelle Daseins-Vorsorge zu bewirken. Schließlich ließ sich anhand zweier Artikel Grundrechtsbezug herstellen: Einerseits zeigte ein Bericht über einen erfolgreichen Antrag beim VfGH, dass Grundrechtsschutz prinzipiell funktioniert. Andererseits zogen die präsentierenden Teilnehmer:innen den Fall von disruptivem Aktivismus stellvertretend dafür heran, dass eine „kohäsive Gesellschaft“ auch laut geäußerten Widerstand aushalten muss.

Beide Teile der Arbeitsgruppe waren durch die Interaktion und den Blick über den „juristischen Tellerrand“ horizonterweiternd und von Iris Eisenberger und ihrem Team ansprechend gestaltet. Die anschließende Mittagspause hatten sich die die Teilnehmer*innen nach dem intensiven Workshop verdient.