von Philipp Bertsch
Am 23.1.2021 fand für die Fellows der Doktoratsschule Ars Iuris Vienna ein rund vierstündiger Workshop zum Thema Rhetorik von Universitätsprofessor Dr. Ulrich Falk von der Universität Mannheim, Inhaber des dortigen Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Rhetorik und Europäische Rechtsgeschichte und erfahrener Rhetoriklehrer an den Universitäten Mannheim und Luzern, sowie mit tatkräftiger Unterstützung von Dr. Michael Rempel, Prokurist und Syndicusanwalt bei einem großen deutschen Versicherungsunternehmen, statt. Den Erfordernissen der Pandemiezeit entsprechend wurde der Workshop per Videokonferenz abgehalten.
JuristInnen, egal ob in der Wissenschaft oder der Praxis tätig, werden sich häufig in der Verlegenheit wiederfinden, andere von einem Standpunkt überzeugen zu müssen - einer Tatsachenbehauptung im Prozess etwa oder einer rechtswissenschaftlichen These. Absolute, in Stein gemeißelte Wahrheiten sind dabei selten. Doch wie können die Werke der antiken Redner Marcus Tullius Cicero und Marcus Fabius Quintilianus den JuristInnen hier weiterhelfen? Und was hat Donald Trump mit all dem zu tun?
Diese und viele weitere Fragen wurden im Workshop beantwortet. Die Veranstaltung wurde nach dem in Pandemiezeiten zunehmend bewährten Konzept des inverted classroom abgehalten. Den TeilnehmerInnen wurden etwa zwei Wochen zuvor Lehrvideos im Umfang von etwa acht Stunden als Vorbereitung zur Verfügung gestellt, welche den TeilnehmerInnen den Einstieg in das Fach Rhetorik ermöglichten. In der Sitzung am 23. stand dann die offene Interaktion mit den TeilnehmerInnen im Vordergrund, mit viel Raum für Fragen und lebhafter Diskussion. Der fachliche Beitrag der beiden Workshopleiter schärfte währenddessen das Bewusstsein der TeilnehmerInnen für die Mechaniken und Kniffe hinter den Worten.
An anschaulichen Beispielen mangelte es dabei nicht. Technische Probleme bei der Anhörung zweier deutscher Universitätsprofessoren vor dem Bundestag, die im Internet für Spott gesorgt hatten, gaben etwa den Anlass, über das Gebot von Flexibilität in der Rhetorik im Allgemeinen und über den Umgang mit den vielfältigen Pannen der in Pandemiezeiten allgegenwärtigen elektronischen Kommunikation zu sprechen. Weit weniger harmlos als dieses kurze Video und vielmehr beklemmend waren indes die Szenen vom Sturm auf das Kapitol in den USA - dem eine Rede von Donald Trump vorangegangen war. Das ist wohl ein Beispiel von adressatengerechter, effektiver Rhetorik und führt zur Erkenntnis: Sprache und damit Rhetorik ist ein wichtiges Werkzeug auch des Juristenstandes; in den falschen Händen kann ein Werkzeug allerdings zur Waffe werden. Wer Rhetorik jedoch in ihren Grundzügen versteht, der ist ihr zumindest nicht ungeschützt ausgeliefert.
Ist Rhetorik letztlich nur eitles Blendwerk, dazu geschaffen, um mangelndes Fachwissen oder schleißige Arbeit zu kaschieren? Mitnichten, Kompetenz und sorgfältige Vorbereitung sind ein Gebot guter Rhetorik, und die Kunst, sich Gehör zu verschaffen, kann im späteren Leben - gleich ob vor Gericht, bei Vertragsverhandlungen oder auf einer wissenschaftlichen Tagung - nur von Vorteil sein. Wie ein roter Faden zogen sich indes die Schriften der antiken Rhetoriker, wie "de oratore" und "de officiis" von Cicero oder die "institutio oratoria" von Quintilian, durch den Workshop. Diese Werke, von Juristen für Juristen geschrieben (Cicero und Quintilian waren in ihrer Zeit erfolgreiche Anwälte), haben, wie der Vergleich mit moderner psychologischer Forschung gezeigt hat, auch nach gut 2000 Jahren nichts von ihrer Aktualität verloren.