Kürzung des Entgelts bei Abbestellung von Leistungen?
Zur Analogiefähigkeit der §§ 1155, 1168 ABGB im allgemeinen Schuldrecht


Wenn ein Käufer das Interesse an dem Kaufgegenstand verliert und daher die Lieferung endgültig ablehnt, muss er dann dennoch stets den vollen Kaufpreis bezahlen? Oder kann er verlangen, dass Versand- oder Anschaffungskosten, die sich der Verkäufer durch das Unterbleiben der Lieferung erspart, vom Kaufpreis abgezogen werden?


§§ 1155 Abs 1 und 1168 Abs 1 ABGB (zu Arbeits- und Werkverträgen) sehen bei Nicht-Inanspruchnahme der Leistung eine Vorteilsanrechnung vor. § 1168 Abs 1 erlaubt Werkbestellern bei Abbestellung des Werks (wie auch § 1155 Abs 1 Arbeitgebern bei Nicht-Beschäftigung des Arbeitnehmers) von dem Entgelt dasjenige abzuziehen, was sich der Werkunternehmer durch den Entfall der Leistung erspart hat und das, was er dadurch verdienen konnte oder zu verdienen absichtlich unterlassen hat. Das allgemeine Leistungsstörungsrecht hingegen räumt dem Käufer nach hM keine Möglichkeit ein, seine Zahlungspflicht durch Abbestellung zu reduzieren. Im Rahmen des Vortrags möchte ich untersuchen, ob die Anrechnungsregeln der §§ 1155 und 1168 ABGB im Wege der Analogie auch auf andere Vertragstypen angewendet werden können.

Zur Vorbereitung auf die zweite Einheit empfehlen wir folgende Literatur:

- Zum Abbestellungsrecht des Werkunternehmers, dessen Analogiefähigkeit geprüft werden wird: Kletečka, Das Abbestellungsrecht des Werkbestellers, bauaktuell 2016, 83 oder die Kommentierungen zu § 1168 ABGB.

- Zu Stornogebühren bei Kaufverträgen, bei denen sich ein Spannungsverhältnis daraus ergibt, dass Käufer nach hM zwar einerseits kein Recht auf Entgeltminderung durch Abbestellung haben, aber andererseits übermäßig hohe Stornogebühren (bzw Reugelder) vom OGH (in 4 Ob 229/13z) als sittenwidrig beurteilt wurden und im Konsumentengeschäft gem § 7 KSchG gemäßigt werden können, jüngst: Krist, Gröblich benachteiligendes Reugeld beim Kaufvertrag - Zugleich eine Besprechung der E 4 Ob 229/13z, ecolex 2015, 845; derselbe, Richterliche Mäßigung beim Reugeld, VbR 2016, 77.

Relevante Normen:
§§ 1107, 1155, 1168, 1419 ABGB; § 7 KSchG