Vom 31. Juli bis 2. August fand auch in diesem Jahr der Sommerdiskurs der Universität Wien statt, bei dem sich Vertreter*innen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Politik gemeinsam mit dem Thema „Rethinking Solidarity” auseinandersetzten. Dabei wurden Aspekte wie Solidarität in der digitalen Welt, die Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf soziale Gerechtigkeit, nachhaltige Unternehmensstrategien und Datenschutz diskutiert. Ebenso stand das Verhältnis zwischen Wissenschaft und Gesellschaft im Mittelpunkt, wobei die Frage erörtert wurde, wie Solidarität im europäischen Kontext neu gedacht und gestärkt werden kann.
In Workshops konnten sich die Teilnehmer*innen aktiv einbringen und sich in die zuvor präsentierten Themen vertiefen. Sie beschäftigen sich unter anderem mit der Finanzierung der Europäischen Union auf Grundlage von Solidarität oder mit dem Super-Wahljahr 2024 besonders drängenden Frage, wie Bürger:innen ihre Wahlentscheidungen treffen uvm.
Im Sommerdiskurs präsentiert sich die Universität Wien als öffentlicher Raum, als Ort der sozialen Interaktion, als Forum des Nachdenkens und der Diskussion. In diesem Jahr fand er bereits zum 16. Mal statt. Veranstaltungsort ist immer das Bundesinstitut für Erwachsenenbildung (bifeb), das direkt am Ufer des idyllischen Wolfgangsees liegt.
Zu den Highlights dieses Sommerdiskurses gehörten das Kammerkonzert mit Musikern der Wiener Philharmoniker in der Strobler Pfarrkirche am Donnerstagabend, das Kunsthistorisches Gespräch mit Daniel Uchtmann (KHM) am Freitagnachmittag und die anschließende 75-Jahre-Jubiläumsfeier der Sommerhochschule.
Nach der Registrierung am ersten Tag ging es gleich mit dem ersten Vortrag von Prof. Caroline Heber los. Zwei ihrer Dissertantinnen berichten über den ersten Tag:
Isis Rezegh/Chiara Schartmüller
Bericht zum ersten Tag - 31.07.2024
Der sechzehnte Sommerdiskurs der Universität Wien aus Wirtschaft, Recht und Kultur bot auch dieses Jahr wieder ein Forum für Ideenaustausch und angeregte Diskussionen vor der malerischen Kulisse des Wolfgangsees. In dieser inspirierenden Umgebung kamen WissenschafterInnen, ExpertInnen und Studierende zusammen, um das Generalthema "Rethinking Solidarity" gemeinsam zu erörtern.
Die dreitätige Veranstaltung wurde mit einem Vortrag von Univ.-Prof. Dr. Caroline Heber (Institut für Finanzrecht/Universität Wien) zum Thema „Solidarity and the Financing of the European Union” eröffnet. Im Mittelpunkt stand dabei die Frage nach der Finanzierung der Europäischen Union auf Grundlage von Solidarität. Denn in den vergangenen Jahren zeichnete sich ein klarer Trend ab: Die zahlreichen Krisen, denen wir ausgesetzt sind, weisen eine Gemeinsamkeit auf: Ihre Bewältigung ist nur im Kollektiv möglich, womit sie eine gemeinsame, eine europäischen Lösung verlangen. Gepaart mit der fehlenden Steuerkompetenz sowie einer damit einhergehenden unzureichenden finanziellen Autonomie der Europäischen Union geben sie nun den Anstoß für die Solidaritätsdebatte und die Frage der Finanzierung innerhalb der Europäischen Union.
Als Ausgangspunkt der Debatte kann die europäische Verfassung gesehen werden, die die solidarische Verbundenheit der Mitgliedstaaten als Leitmaxime für die Konkretisierung der mitgliedstaatlichen Beziehungen festlegt. Dieser Gedanke hat sich aber auf Ebene der Mitgliedstaaten noch nicht vollends manifestiert. Insbesondere, wenn es um die Finanzierung der Europäischen Union geht, zeichnet sich ein mitgliedstaatbezogenes und kein gemeinschaftliches Denken ab. Die Finanzierung der Europäischen Union wird von den Mitgliedstaaten vielfach als Belastung des eigenen nationalen Haushalts betrachtet, sodass sie der Europäischen Union nur selten die Möglichkeit einräumen, eine starke europäische Sachpolitik zu betreiben. Die Mitgliedstaaten und nicht die Europäischen Union behalten somit die Oberhand in der Finanzierungsfrage. Aufgrund der fehlenden Steuerkompetenz der Europäischen Union ist sie aber gerade auf die Unterstützung ihrer Mitgliedstaaten angewiesen. Die mangelnde finanzielle Schlagkraft der Europäischen Union erweist sich besonders in Krisenzeiten als problematisch. Die unter Zeitdruck getroffenen, scheinbar solidarischen Krisenreaktionen – etwa die Ausstattung besonders betroffener Mitgliedstaaten mit finanziellen Mitteln – destabilisieren als Kunststücke juristischer Akrobatik das etablierte institutionelle Gefüge, und nachträglich gefundene Lösungen für die Bewältigung finanzieller Folgen der solidarischen Hilfe überschreiten häufig die aktuellen Kompetenzgrenzen.
Der Vortrag betonte daher insbesondere, dass es an der Zeit ist, grundlegend über die Finanzierung der Union nachzudenken. Die Diskussionen zum Thema "Rethinking Solidarity" boten den Teilnehmenden die Gelegenheit, Solidarität in einem neuen Licht zu betrachten und innovative Konzepte für eine solidarischere Zukunft zu entwickeln. Die Kombination aus intellektuellem Austausch und der idyllischen Landschaft schuf eine einzigartige Atmosphäre, die den Teilnehmenden neue Perspektiven eröffnete und kreative Lösungsansätze förderte. Die Universität Wien hat mit dem Sommerdiskurs erneut gezeigt, wie wichtig der Dialog zwischen verschiedenen Disziplinen und Generationen für die Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen ist.
Am zweiten Tag ging es um 09:00 Uhr weiter. Folgender Beitrag stellt den Ablauf des Programms hervorragend dar:
Theresa Henne/Saskia Kaltenbrunner
Bericht zum zweiten Tag - 01.08.2024
Der zweite Tag des Sommerdiskurses begann mit einer Keynote von Prof. Barbara Prainsack (Universität Wien) zum Thema „Solidarity in Times of Crisis: How to Create States that Care?“. Der Begriff Solidarität, so Prof. Prainsack, sei nicht für jeden positiv besetzt. Zu häufig schmückte er in der Vergangenheit die Reden von Politiker:innen, die selbst dazu beitrugen, dass solidarische Systeme innerhalb der Gesellschaft immer weiter abgebaut wurden. Doch was genau ist Solidarität? Zur Beantwortung dieser Frage verwies Prof. Prainsack auf den Post Office-Skandal in Großbritannien, bei dem kleine Ladenbesitzer zu Unrecht des Betrugs bezichtigt wurden. Die Ungerechtigkeit, von der so viele, oft mittellose Menschen betroffen waren, löste eine Protestwelle aus, in der sich verschiedenste Menschen aus der Gesellschaft für die Betroffenen einsetzten. Solidarität entsteht, wenn wir im Schicksal eines anderen Menschen etwas von uns selbst erkennen. Menschen sind solidarisch, wenn sie etwas gemeinsam haben, sei es eine geteilte Hoffnung, ein Gefühl der Ungerechtigkeit oder das Bedürfnis nach grundlegenden Gütern wie Gesundheitsversorgung.
Prof. Prainsack differenzierte weiter zwischen drei Ebenen der Solidarität: 1) die zwischenmenschliche Ebene, auf der Solidarität zwischen zwei oder mehreren Personen gelebt wird, 2) die Gruppenebene, auf der solidarisches Handeln innerhalb einer größeren Gruppe von Menschen stattfindet und 3) die Ebene der institutionalisierten Solidarität, auf der Solidarität in bürokratischen, administrativen, rechtlichen oder sozialen Normen verankert ist. Die Stärkung der dritten Ebene der Solidarität ist ein besonders gutes Mittel, um sich auf Krisen vorzubereiten, wie uns die COVID-Pandemie gelehrt hat. Auch wenn Solidarität nicht verordnet werden kann, können politische Entscheidungsträger - und bis zu einem gewissen Grad wir alle - Bedingungen schaffen, die die Entwicklung und Aufrechterhaltung von Solidarität erleichtern.
Im Anschluss an die Keynote gab es eine Podiumsdiskussion und Workshops zum Thema „The Future of Solidarity and Cooperation in Europe: Perspektiven aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik“ mit Mag.a (FH) Ilkim Erdost (AK Wien), Dr. Rolf Gleißner (WKO) und Dr. Michael Stampfer (WWTFDr. Gleißner eröffnete das Panel mit einem Überblick über die institutionalisierte Solidarität in Europa und Fragen der Vereinbarkeit von Solidarität und Wachstum, insbesondere angesichts der Herausforderungen der Klimakrise und des demographischen Wandels in Europa. Mag.a Erdost gab Denkanstöße zu Zugehörigkeitsgefühl und sozialem Zusammenhalt und stellte die Frage, wie Solidarität auch in Krisenzeiten langfristig gesichert werden kann. Dr. Stampfer stellte negative und positive Freiheitsrechte gegenüber und fragte, welche materiellen Voraussetzungen und welches gesellschaftliche und politische System für die Ausübung von Freiheitsrechten am besten geeignet sind. Jeder Referent leitete anschließend einen Workshop, in dem die Teilnehmer ihre eigenen Ideen und Fragen zum Thema Solidarität diskutieren konnten. In diesem interaktiven Format wurden auch Ideen aus der Keynote vom Vormittag aufgegriffen, indem u.a. individuelle und institutionalisierte Solidarität sowie Inklusion und Exklusion, die durch Solidarität entstehen können, gegenübergestellt wurden.
Den Auftakt des Nachmittags bildete ein Impulsvortrag von Gerhard Kürner, CEO von 506.ai, der unter dem Titel „Beyond Limits - Künstliche Intelligenz in Wirtschaft und Gesellschaft“ spannende Einblicke in das Potenzial von KI gab. Der Vortrag begann mit einem Interviewausschnitt aus dem Jahr 1961, in dem sich der MIT-Forscher Jerome Wiesner zuversichtlich zeigte, dass es in wenigen Jahren die denkende Maschine geben werde. Dies rückte die aktuelle Diskussion um KI in ein anderes Licht, da es daran erinnerte, dass die Diskussion um Künstliche Intelligenz bereits seit Jahrzehnten geführt wird und auch deutlich machte, dass Realität und Vorstellung von der „denkenden Maschine“ nicht immer übereinstimmen. So zeigte sich Kürner in seinem Vortrag zwar zuversichtlich hinsichtlich des Potenzials von KI, argumentierte aber auch, dass KI die menschliche Arbeitskraft nicht ersetzen werde. Nach der radikalen Weiterentwicklung von Large Language Models in den letzten zwei Jahren stehen diese besonders im Fokus. Sie können bei alltäglichen Aufgaben wie der Fahrradreparatur ebenso unterstützen wie in der Verwaltung, im Rechtswesen, in der Programmierung, im Wirtschafts- und Finanzbereich oder in der Kreativwirtschaft. Ein großes Problem bleibt, dass sich KI-Lösungen in den letzten Jahren zwar stark entwickelt haben, außerhalb Europas (insbesondere in China und den USA) aber oft schneller als in Europa. Abhängigkeiten und schwer abschätzbare Risiken entstehen, wenn Software nicht im eigenen Rechtsrahmen entwickelt wird. Genau diese europäische Lösungsentwicklung versucht 506.ai mit der KI-Lösung zu unterstützen, die Prozesse für Unternehmen optimiert.
Im Anschluss an den Impulsvortrag fand eine Podiumsdiskussion mit Gerhard Kürner, Mag.a Aakriti Chandihok, LLM Columbia (Head of Legal & Compliance ÖBAG), Mag. Martin Nittnaus (Winzer & Creative Director Weingut Nittnaus), Mag. Dr. Eveline Steinberger (Gründerin und CEO The Blue Minds Company) und Mag. Susanne Stein-Pressl (Geschäftsführerin MANZ-Verlag) unter der Moderation von Kristin Hanusch-Linser statt. Hier wurden die Gedanken aus dem Impulsvortrag aufgegriffen, um mit spannenden Perspektiven aus ganz unterschiedlichen Bereichen die Potenziale von KI und die Herausforderungen der Digitalisierung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu diskutieren. Durch die Expertise der Referenten wurden hier auch sehr spannende Praxisbeispiele genannt, wie z.B. Dieselgate, ein Massenverfahren in Deutschland, bei dem KI Vorarbeit zur Unterstützung der Richter leistete und so die Möglichkeiten von KI in der Rechtsprechung erprobt werden konnten. KI-Software kann auch bei der Bekämpfung des Klimawandels helfen, beispielsweise durch die Optimierung der Energienutzung mittels KI. Auch der medizinische Bereich, die Bildung, insbesondere die politische Bildung, und sogar die Digitalisierung der Weinlese wurden diskutiert. Von KI erhofft man sich Effizienz, Zeitersparnis und zielgerichteteres Arbeiten. Abgesehen von den Risiken, die sich insbesondere im Bereich der Medizin ergeben, bleibt natürlich auch die Frage nach der Wirtschaftlichkeit der vorgeschlagenen KI-Lösungen, da diese wohl nur dort entstehen werden, wo sich ein sinnvolles Geschäftsmodell ergibt. Insgesamt zeigte das Panel eine sehr optimistische Perspektive für KI und die Zukunft auf, mit dem Hinweis, dass wir aber lernen müssen, KI richtig einzusetzen.
Wie schon Tradition, begaben sich Vortragende und Teilnehmende am Abend ins wunderschöne Kammerkonzert in der Pfarrkirche Strobl um den Tag ausklingen zu lassen.
Vom dritten und letzten Tag berichtet uns Conny Tscheppe:
Cornelia Tscheppe
Bericht zum dritten Tag - 02.08.2024
Europa, quo vadis? - Zwischen Verhagenheit und Zukunft
Am Freitagmorgen eröffnete Univ.-Prof. Mag. DDr. Oliver Rathkolb, Professor für Zeitgeschichte auf der Universität Wien, den letzten Tag des Sommerdiskurses mit einem Blick zurück ins Gründungsjahr der Sommerhochschule der Universität Wien 1949. Untermalt von musikalischen Ausschnitten aus dem Filmklassiker „Der Dritte Mann“ zeichnete Professor Rathkolb das Bild eines Österreichs, dessen geopolitische Lage es in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg zum wirtschaftlichen, politischen und intellektuellen Zankapfel zwischen Ost und West machte.
Dabei spielte Österreich in den wichtigsten Ereignissen des Jahres 1949 allerdings keine aktive Rolle. Zu Jahresbeginn etablierte die UdSSR den Comecon, um für den entstehenden Ostblock ähnliche Ergebnisse zu erzielen, wie es der Marshallplan für Westeuropa zu Wege brachte. Von den USA ausgehend entwickelte sich die Friedensbewegung zu einem globalen Anliegen, das auch russische Intellektuelle zu seinen Unterstützer:innen zählen konnte. Unter dem Eindruck des zunehmenden Zerbrechens des Alliierten Kontrollrates in Deutschland wurden die NATO und die Europäische Verteidigungsgemeinschaft gegründet; als letzte Bastion gegen den sowjetischen Einflussbereich wurde Westdeutschland wiederbewaffnet und in die Militärbündnisse gegen die UdSSR eingegliedert. Mit der Verabschiedung des Grundgesetzes fand die BRD schließlich wieder ihren Weg in die westeuropäische Staatengemeinschaft. Die UdSSR entwickelte ihre eigene Atombombe und fand in der gerade entstehenden Volksrepublik China einen langjährigen treuen Verbündeten.
In Österreich entstand derweil der VdU, der sich als Vorläufer der FPÖ direkt an diejenigen wendete, die 1945 aufgrund ihres Engagements in nationalsozialistischen Verbänden noch nicht hatten wählen dürfen. Im Gegensatz zu Deutschland blieb Österreich unter der gemeinsamen Kontrolle des Alliierten Rates und somit auch Spielball zwischen den USA und der UdSSR. In diesem geopolitischen Klima lud der Grazer Professor für Psychiatrie und Neurologie, Otto Kauders, der vor den Nationalsozialisten in die USA hatte fliehen müssen, US-amerikanische Studenten nach Zell am See (US-amerikanische Besatzungszone) ein, um sie mit der österreichischen Kultur vertraut zu machen. Kauders verstarb noch im selben Sommer, seine Idee lebte aber fort und 1950 erfuhr die Sommerhochschule in Altmünster bei Gmunden am Traunsee ihre zweite Auflage.
Nach diesem anregenden und multimedial ansprechenden Vortrag sowie der ihm folgenden Diskussion unter der Leitung von Univ.-Prof.in Mag.a Dr.in Ursula Kriebaum übernahm das von Univ.-Prof.in Dr.in Iris Eisenberger, M.Sc. (LSE) geleitete Panel zu „AI and the Endangered Freedom of Democratic Participation“. Den ersten Impulsvortrag hielt Univ.-Prof.in Dr.in Sylvia Kritzinger zur im Super-Wahljahr 2024 besonders drängenden Frage, wie Bürger:innen ihre Wahlentscheidungen treffen. Diese sind sowohl vom Verhalten der Wahlwerber:innen in der Vergangenheit, als auch ihren Versprechungen für die Zukunft abhängig. Unterstützung für die Wahlentscheidung bieten sogenannte Voting Advice Applications (VAA), die durch Fragebögen die Benutzer:innen den Parteien zuordnet, mit deren Positionen sie am meisten übereinstimmen. Auch KI spielt für diese VAA eine immer größere Rolle, da diese die von den Parteien vertretenen Ansichten den Dynamiken eines Wahlkampfs entsprechend tagesaktuell halten kann.
Neben der Möglichkeit, dass die KI dabei Bewertungsfehler macht, sind es vor allem die Anforderungen des gerade erst in Kraft getretenen AI Acts der Europäischen Union, die die Verwendung von AI für VAA schwierig gestaltet. Auf die möglichen Auswirkungen des AI Acts ging Univ.-Prof. Dr. Nikolaus Forgó in seinem Impulsreferat ein. Er problematisierte dabei vor allem den Regelungszugang der EU, der auf die Risikoaffinität von AI-Anwendungen abstellt. Dieser sei nicht nur problematisch, weil die unterschiedlichen Risikokategorien nur schwer voneinander abzugrenzen seien, sondern auch weil er möglicherweise zu weit gehe. Dies würde sich gerade bei VAA zeigen, die als Anwendungen qualifiziert werden könnten, die den Ausgang von Wahlen beeinflussen sollen und somit den strengeren Vorschriften für „high-risk AI systems“ unterliegen würden. Damit würde man jedoch die Zielsetzung dieser Anwendungen falsch einschätzen und sie wahrscheinlich an unnötig hohen Anforderungen messen. Unterm Strich sei der risikobasierte Regelungsansatz der Union zu kritisieren; schwerer wögen jedoch die Verständnisdefizite des Gesetzgebers in Hinblick auf Möglichkeiten und Funktionalität von KI.
Nach einer engagiert geführten Diskussion rundete schließlich Mag. Daniel Uchtmann (Kunsthistorisches Museum) mit seiner in den letzten zehn Jahren zum Fixpunkt gewordenen Bildpräsentation eines Stücks aus dem Bestand des Kunsthistorischen Museums den Vormittag ab. Nachdem er in den letzten drei Jahren Bilder Pieter Breugels d. Ä. an den Wolfgangsee gebracht hatte, blieb Mag. Uchtmann auch dieses Jahr den niederländischen Meistern treu und stellte das Bild „Die vier Flüsse des Paradieses“ von Peter Paul Rubens vor. Passend zum Rahmenthema des Sommerdiskurses „Rethinking Solidarity“ reflektierte Mag. Uchtmann anhand des Bildes – abweichend von der herrschenden Interpretation des Gemäldes als Repräsentation der vier (bekannten) Weltregionen – über das fragile Bündnissystem der europäischen Mächte und ihrer außereuropäischen Verbündeten am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges. Detailliert arbeitete er heraus, wie das Bild dieses Thema durch ein raffiniertes Spiel mit Harmonie und Konflikt aufgreift. Mag. Uchtmann verlieh Rubens Gemälde damit unmittelbare aktuelle Relevanz und warf noch einmal die Fragen auf, die den Vormittag gekennzeichnet hatten: Zwischen den Konflikten und Lehren der Vergangenheit vor den Herausforderungen der Zukunft – Europa, quo vadis?
Wir hoffen, dass alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer die letzten drei Tage genauso genossen haben wie wir und viele wertvolle Eindrücke sowie neue Kontakte mitnehmen konnten. Vielen Dank für Eure Teilnahme und Engagement und vielen Dank auch an alle inspirierenden Vortragende! Wir freuen uns schon auf ein baldiges Wiedersehen, Strobl!
Best wishes,
die Ars Iuris Vienna Doctoral School