Rights of Nature – Nothing but Symbolism?

01.11.2023

 

Streams and lakes have rights, a US county decided. Now they’re suing Florida.[1]

Dass Flüsse und Seen – wie in dieser Überschrift des Guardians – den Staat Florida verklagen, mag zwar wie ein Scherz klingen. Die Schlagzeile ist jedoch kein Einzelfall. Und es handelt sich dabei auch nicht nur um das Treiben einzelner Gemeinden in den USA.

Was steht hinter solchen Überschriften?

Die dahinterstehende Bewegung nennt sich „Rights of Nature“, in der Kurzform „RoN“, oder auch deutsch „Rechte der Natur“. Und der Name ist Programm: Länder wie Ecuador und Neuseeland haben die Natur oder zumindest einzelne Ökosysteme tatsächlich mit subjektiven Rechten ausgestattet.

Gibt es die Rechte der Natur nur am anderen Ende der Welt?

Nein, zunehmend werden auch in Europa Forderungen laut. Spanien ist sogar schon zur Tat geschritten und hat das Mar Menor, eine Salzwasserlagune bei Murcia, mit eigenen Rechten ausgestattet. Abgesehen davon, ob das einfach so geht, stellt sich vor allem eine Frage:

Warum? Welchen Mehrwert bringen die Rechte der Natur?

Länder wie Ecuador und Neuseeland haben indigene Bevölkerungsgruppen gemein, deren Weltbild teilweise sehr weit entfernt von dem dort geltenden, eher westlichen Rechtssystem ist. Beides sollte besser miteinander in Einklang gebracht werden. Die Rechte der Natur wurden also als eine Art Kompromiss etabliert.  

Und darüber hinaus?

Vergleicht man § 1 Abs. 1 des dt. BNatSchG und Art. 71 Abs. 1 der ecuadorianischen Verfassung, stechen vor allem zwei Unterschiede ins Auge: Dass deutsche Gesetz spricht zwar vom „eigenen Wert der Natur“. Auch benennt es sie „als Grundlage für Leben und Gesundheit“. Allerdings: „des Menschen“. Ecuador bezeichnet die Natur hingegen als Wert an sich. Vor allem aber: § 13 S. 1 BNatSchG gibt dem Menschen die Pflicht, Beeinträchtigungen der Natur zu vermeiden. Ecuador verleiht der Natur demgegenüber selbst Rechte. Das Standing der Natur ist also ein ganz anderes.

Aber ist das nicht letztlich nur eine Frage des Framings?

Jein. Unabhängig davon, ob es verboten ist, die Natur zu schädigen, oder ob die Natur ein Recht auf Unversehrtheit hat: An sich sollte ein Gericht, das über ein zu einer Schädigung der Natur führendes Verhalten zu urteilen hat, zu dem Ergebnis kommen, dass dieses Verhalten rechtswidrig war.

Führen die Rechte der Natur dann vielleicht zu verbesserten Optionen der Rechtsdurchsetzung?

Traditionell wird das Umweltschutzrecht über Geldbußen und Geldstrafen durchgesetzt. Mittlerweile sind in Deutschland außerdem Verbandsklagen vorgesehen. Darüber hinaus kommt es zunehmend zu sog. Klimaklagen. Hier besteht allerdings die Hürde, dass eine erfolgreiche Klage die Verletzung eigener Rechte der Betroffenen voraussetzt. Dies könnte bei den Rechten der Natur anders sein.

Wie aber soll die Natur selbst klagen?

Die Natur selbst kann nicht handeln. Sie bedarf eines Repräsentanten. Neben staatlichen Institutionen und Verbänden kommen auch die einzelnen Bürger:innen in Betracht. Sie müssten keine Verletzung eigener Rechte mehr nachweisen, denn: Sie sprächen für die Natur.

Aber können einzelne Bürger wirklich nur dann klagen, wenn man der Natur Rechte verleiht?

Nein, dasselbe Ergebnis ließe sich auch mit den bisherigen Gesetzen erzielen. Man müsste schlicht auf die Zulässigkeitsvoraussetzung der individuellen Betroffenheit verzichten. Man müsste also Popularklagen zulassen.

Was bleibt dann also? Sind die Rights of Nature nur Symbolpolitik?

Möglicherweise. Allerdings haben u.a. die Behavioral Economics eindrücklich gezeigt, welchen Unterschied das bloße „Framing“ macht. Und von den Rechten der Natur geht eine Botschaft aus: Die Natur ist nicht um des Menschen willen da, sondern ist ein Wert für sich. Wenn Klimawandel, globales Artensterben und kippende Ökosysteme ein fundamentales Umdenken fordern, dann ist auch das Recht gefragt. Vielleicht ist der „bloß“ symbolische Mehrwert genau der Unterschied, den es bedarf.

 


[1] https://www.theguardian.com/environment/2021/may/01/florida-rights-of-nature-lawsuit-waterways-housing-development.

 

Kurzbiographie

Tabea Bauermeister ist Juniorprofessorin für Bürgerliches Recht und Recht der algorithmenbasierten Wirtschaft an der Universität Regensburg. Nach einem Studium des B.A.-Studiengangs Governance and Public Policy – Staatswissenschaften (Schwerpunkt VWL) und der Rechtswissenschaft in Passau und Madrid sowie einem Referendariat in München, Passau und Bonn absolvierte sie die Erste und Zweite Juristische Staatsprüfung. Promoviert wurde sie von der Universität Leipzig mit der im Schnittbereich zwischen Zivil- und Kartellrecht zu verortenden Arbeit „Gesamtschuld und Regress in der Schadensersatzrichtlinie“. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt im deutschen, europäischen und internationalen Privat- und Wirtschaftsrecht. Aktuell befasst sie sich insbesondere mit den Einflüssen des Unions- auf das nationale Recht, den Herausforderungen der Digitalisierung sowie Fragen der öffentlichen und privaten Rechtsdurchsetzung

 

 

UR/Annika Schuppe