Nach einleitenden Begrüßungsworten durch unseren Vizedekan und Ars Iuris Sprecher Prof. Franz-Stefan Meissel, durften auch dieses Jahr die 12 Preisträger*innen einen kurzen Einblick in ihre ausgezeichneten Dissertationen geben.
I. Panel - Moderation von Prof. Michaela Windisch-Graetz
- Cornelia Auer untersuchte den Einfluss von Freiheitsstrafen auf künftige Delinquenz. Aufgrund der Eingriffsintensität der Haft wurde analysiert, wie sich unterschiedliche Vollzugsformen auf die Rückfälligkeit auswirken. Anhand von 900 österreichischen Akten, darunter Strafregister und eüH-Verläufe, zeigte die quantitative Studie, dass extramuraler Vollzug (elektronisch überwachter Hausarrest) die Legalbewährung stärkt und die (Re-)Integration in die Gesellschaft begünstigt.
('Unterschiede in der Legalbewährung von Strafgefangenen nach intra- und extramuraler Haft') - Helena Palle folgte mit der unionsrechtlichen Zulässigkeit der österreichischen Insolvenzausnahme beim Betriebsübergang (§ 3 Abs 2 AVRAG). Sie analysierte den Konkursbegriff der Betriebsübergangs-Richtlinie und die EuGH-Rechtsprechung. Das Ergebnis war, dass die nationale Regelung nicht richtlinienkonform ist, da nur Konkursverfahren ohne Sanierungsplan die Voraussetzungen der Vermögensauflösung nach Art 5 Abs 1 der Richtlinie erfüllen.
('Die Insolvenzausnahme bei Betriebsübergang') - Philipp Bertsch untersuchte den Aufwandersatz im österreichischen Arbeitsrecht. Dabei wurden Fragen rund um Arbeitsmittel, Reisekosten, Ausbildungskosten und Homeoffice analysiert, auch im Vergleich zu Deutschland und der Schweiz. Es zeigte sich, dass grundsätzlich der Arbeitgeber die Kosten des Betriebs zu tragen hat, was sich aus dem Wesen des Arbeitsvertrags ergibt. Der Aufwandersatzanspruch lässt sich über eine (analoge) Anwendung von § 1014 ABGB herleiten. Inhalt, Höhe und vertragliche Abdingbarkeit des Anspruchs sowie die Sonderregeln zum Homeoffice wurden umfassend aufgearbeitet.
'Aufwandersatz im Arbeitsrecht'
II. Panel - Moderation von Prof. August Reinisch
- Isabella Brunner untersuchte die völkerrechtliche Attribution von Cyber-Operationen an Staaten. Aufgrund der Anonymität im Cyberspace und gezielter Verschleierung staatlicher Akteure stellt die Zuschreibung eine besondere Herausforderung dar. Die Arbeit zeigt, dass bestehende völkerrechtliche Regeln, insbesondere das Gewohnheitsrecht, trotz ihrer Grenzen anwendbar sind. Auf Basis von Staatenpraxis wird zudem ein sich entwickelndes Beweismaßstabssystem skizziert. Neben direkter Attribution werden auch alternative Ansätze wie Sorgfaltspflichten, der Sicherheitsrat und vertragsbasierte Verpflichtungen erörtert. Die Arbeit liefert damit einen Leitfaden für ein robustes Regime staatlicher Verantwortlichkeit im Cyberraum.
('Attribution of Cyber Operations Under International Law: State Responsibility and Evidence') - Johannes Tropper folgte mit seinen Ausführungen zu einseitigen Versprechen von Staaten gegenüber anderen Staaten oder ausländischen Investoren. Analysiert wurden die Voraussetzungen, unter denen solche Versprechen im Völkerrecht und im Investitionsschutzrecht rechtlich geschützt sind. Es zeigte sich, dass sowohl die Bindungsabsicht des Staates als auch das Vertrauen des Empfängers zentrale Anknüpfungspunkte sind. Dabei spiegeln sich diese Ansätze in den Lehren der einseitigen Rechtsakte und des Estoppel (Völkerrecht) sowie in Umbrella-Klauseln und dem Grundsatz legitimer Erwartungen (Investitionsrecht) wider. Durch den Abgleich beider Rechtsgebiete wird ein einheitlicherer Umgang mit staatlichen Versprechen gefördert.
('Unilateral Promises in General International Law and Investment Law') - Yannic Duller analysierte Datenzugangs- und Portabilitätsrechte als Instrumente zur Korrektur von Machtasymmetrien in der digitalen Wirtschaft. Im Fokus standen die Regelungen des Digital Markets Act und des Data Act. Trotz unterschiedlicher Zielsetzungen lassen sich übergreifende Strukturen erkennen. Die Arbeit entwickelte ein dreiteiliges Kategoriensystem: (i) Zugangsrechte zu co-generierten Daten, (ii) Zugangsrechte im öffentlichen Interesse und (iii) Portabilitätsrechte. So wurden Gemeinsamkeiten, Unterschiede und Regelungslücken systematisch herausgearbeitet und Impulse für die Weiterentwicklung des Datenrechts gesetzt.
('Data Access and Portability: A Taxonomy of European Data Rights')
III. Panel - Moderation von Prof. Christian Koller
- Sonja Walcher befasste sich mit freihändigen Veräußerungen des Insolvenzverwalters und dem Zusammenspiel von Insolvenz-, Exekutions- und Zivilrecht. Dabei wurden die bislang verbreiteten begriffsjuristischen Ansätze kritisch hinterfragt. Anstelle einer Einordnung als privates Rechtsgeschäft plädiert die Arbeit für ein lösungsorientiertes Modell, das sich an den gesetzgeberischen Wertungen des § 1089 ABGB orientiert. Dieses Konzept wurde auf verschiedene praxisrelevante Problemfelder angewendet.
('Freihändige Veräußerungen des Insolvenzverwalters')
- Dominique Korbel untersuchte, wie das Blutsicherheitsgesetz (BSG) den Anforderungen von Infektionssicherheit und ausreichender Blutversorgung gerecht wird. Neben einem Überblick über das österreichische Blutspendewesen wurden die Änderungen der BSG-Novelle 2019 analysiert, insbesondere die erweiterten Kompetenzen von Pflegeberufen bei mobilen Spenden. Im Fokus standen berufsrechtliche Fragen zum Arztvorbehalt sowie der Ausschluss von Risikogruppen wie MSM unter grundrechtlichen Aspekten. Abschließend wurde der bislang unklare Rechtsrahmen für Eigenblutspenden vertieft behandelt.
('Die Blutspende – Ausgewählte Fragestellungen des österreichischen Blutsicherheitsrecht') - Alexander Rimböck analysierte den abgabenrechtlichen Gestaltungsspielraum für Klimaschutzmaßnahmen im österreichischen Verkehrssektor. Trotz punktueller Maßnahmen besteht de lege ferenda erhebliches Potenzial für eine klimafreundlichere Ausgestaltung. Neben der primären Einnahmenerzielung dürfen auch Lenkungszwecke verfolgt werden, wobei unionsrechtliche Vorgaben, Grundrechte und Beihilfenrecht Grenzen setzen. Analysiert wurden unter anderem Ertragsteuern, Umsatzsteuer, Energiesteuern, Transportsteuern, Grunderwerbsteuer sowie Systeme zur Bepreisung von Treibhausgasemissionen, Maut- und Kompensationsregelungen.
('Lenkungsspielraum und Gestaltungsoptionen für abgabenrechtliche Klimaschutzmaßnahmen im Verkehrssektor')
IV. Panel - Moderation von Prof. Miloš Vec
- Nikolaus Feldscher setzte mit seinen Ausführungen zu § 330 ABGB und den offenen Fragen zum Fruchterwerb des redlichen Besitzers im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis fort. Nach einer historischen Einordnung wurden der Redlichkeitsbegriff, die Voraussetzungen des Fruchterwerbs und der Fruchtbegriff detailliert analysiert, auch unter Einbeziehung angrenzender Rechtsgebiete. Die Arbeit lehnt einen bereicherungsrechtlichen Ausgleich des Fruchterwerbs ab und zeigt, dass die Wertungen des deutschen BGB nicht auf § 330 ABGB übertragbar sind.
('Der Fruchterwerb des redlichen Besitzers') - Tobias Fädler sprach über dem Kumulationsprinzip im österreichischen Verwaltungsstrafrecht im Lichte des Unionsrechts. Während das Verfassungsrecht Strafenkumulierungen bislang unbeanstandet lässt, setzt der EuGH unionsrechtliche Grenzen zur Verhältnismäßigkeit von Sanktionen. Die Arbeit zeigt, dass das Unionsrecht Kumulierung grundsätzlich zulässt, aber konkrete Anforderungen an deren Ausgestaltung stellt. Diese Vorgaben wurden auf das österreichische Recht übertragen und Reformbedarf de lege ferenda aufgezeigt.
('(Un-)Begrenzt strafen? Die Kumulierung von Verwaltungsgeldstrafen und ihre unionsrechtlichen Grenzen') - Anastasia Hammerschmied durfte zum Schluss über ihre Dissertation sprechen. Sie untersuchte das Verbot sexueller Kriegsgewalt im Völkerrecht des späten 19. Jahrhunderts. Analysiert wurden völkerrechtliche Debatten, insbesondere zur Auslegung von Art. 46 HLKO 1899/1907, sowie verschiedene Kriege des 19. Jahrhunderts anhand zeitgenössischer Quellen. Es zeigte sich, dass sexuelle Kriegsgewalt völkerrechtlich verboten war, die Diskussionen jedoch primär im (semi-)kolonialen Kontext geführt wurden. Vorwürfe richteten sich meist gegen außereuropäische Soldaten und dienten der Abgrenzung zivilisierter von unzivilisierter Kriegsführung, während das Thema in europäischen Kriegen tabuisiert wurde.der EuGH-Judikatur zur unmittelbaren Anwendung von EU-Richtlinien und Unionsgrundrechten – insbesondere derer der GRC – im Verhältnis zwischen Privaten sprechen. Seine Arbeit zeigt, dass der EuGH ein konsistentes Konzept zur Anwendung von EU-Richtlinien und Grundrechten zwischen Privatpersonen entwickelte, um Rechtsschutzlücken zu vermeiden. Richtlinien spielen dabei eine zentrale Rolle. Auswirkungen betreffen Bereiche wie Antidiskriminierung und Mutterschutz.
('Empörung und Tabu: Sexuelle Kriegsgewalt im Völkerrecht des späten 19. Jahrhunderts')
Zur Feier des Tages wurden schließlich die Dissertationspreise an die Vortragenden verliehen. Bei einem gemeinsamen Ausklang blieb außerdem noch genügend Zeit zum Austauschen und Vernetzen.
Wir freuen uns enorm, dass auch die diesjährige Jahreskonferenz so gut verlief und freuen uns darauf, auch nächstes Jahr die hochkarätigsten Arbeit auszeichnen zu dürfen!