Der schillernde Begriff „Versicherheitlichung“ bündelt multidimensionale Lebenswelten unserer Zeit: Nach dem deutschen Historiker Eckart Conze ist gesellschaftliche (Un)Sicherheit das Ergebnis einer kollektiven Wahrnehmung, die von verschiedenen AkteurInnen wie PolitikerInnen, der Zivilgesellschaft oder auch dem Militär geprägt wird. Auf Einladung des Österreichischen Bundesheers gewährten das Bundesheer und weitere in diesem Zusammenhang bedeutende Institutionen wie das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung sowie die Polizei den Fellows der Vienna Doctoral Academy im Rahmen eines zweitägigen Workshops exklusive Einblicke in Dimensionen gegenwärtiger Bedrohungslagen. Das Schloss Rothschild in Reichenau an der Rax bot dafür von 30. November bis 1. Dezember 2017 eine malerisch-frühwinterliche Kulisse. Als „unverzichtbare Sicherheitsfaktoren für Österreich“ betonten die hochrangigen Vertreter ihre gesamtgesellschaftlich prägende Rolle in interessanten Vorträgen.
Die Absicht des Workshops formulierte Initiator Markus Reisner, Oberstleutnant des Generalstabs und selbst Fellow der Vienna Doctoral Academy, damit, bei JuristInnen ein besseres Verständnis für die Denkweise des Bundesheers zu fördern und dieses so vermehrt in der Mitte der Gesellschaft zu verankern. Ein in unterschiedlichen Vorträgen beleuchtetes – zentrales – Konzept war jenes der Sicherheitsstrategie: Welche Gefahrenkonstellationen sind denkbar und wie sind Bundesheer und Polizei im Ernstfall gerüstet? Terrorangriffe kamen dabei ebenso zur Sprache wie humanitäre Katastrophen aufgrund von Hochwasser oder die „Massenmigration“ des Jahres 2015. Die umfassende Vorbereitung auf stetig wandelbare Sicherheitslagen in Folge geopolitischer Umwälzungen wurde den Fellows anhand strategischer Planspiele vor Augen geführt.
Begleitet von geschulten Psychologen der militärischen Eliteeinheit Jagdkommando konnten die Teilnehmenden am Nachmittag schließlich beim Teambuilding die eigenen Grenzen austesten: Im neuschneebedeckten Reichenau traten zwei Gruppen auf einem Waldparcours miteinander in Wettstreit. Die komplizierten Rechenaufgaben, Worträtsel und Geschicklichkeitsübungen, die es unter Zeitdruck zu lösen galt, sorgten auch noch bei dem vom Bundesheer bereiteten Galadinner für heiteren Gesprächsstoff.
Am zweiten Tag vertieften sich die Fragen nach der Abgrenzung von militärischen und polizeilichen Befugnissen. Auch die Dotierung des Sicherheitsetats und das Verständnis vom Konzept der umfassenden Landesverteidigung standen im Mittelpunkt der Diskussion.
Als prägendste Eindrücke der beiden Seminartage werden den Teilnehmenden die persönlichen Einsatzberichte der Offiziere Karoline Resch, ebenfalls Fellow der Vienna Doctoral Academy und erste Frau im Generalstab, sowie Markus Reisner in Erinnerung bleiben: Die beiden Generalstabsoffiziere gewährten nicht nur eine Innensicht auf die Strukturen des Bundesheers, sondern problematisierten auch offen Probleme wie Sexismus und Rechtsextremismus in und außerhalb des Bundesheers. Auch die Konfrontierung mit Angst, Hoffnung und Verzweiflung der lokalen Bevölkerungen in Afrika und Asien im Rahmen von Auslandseinsätzen war Teil der bewegenden Erzählungen, die den Fellows im Gesamten eindrucksvoll vor Augen führten, welche umfassenden Folgen globale Sicherheitsinteressen und -konzepte zeitigen.