von Pia Ogris
Dem Strafrecht kommt die Aufgabe zu, als ultima ratio besonders eingriffsintensiv die Interessen aller anderen Rechtsgebiete zu schützen. Grund genug, im Rahmen der Vorlesung Angewandte Methodenlehre gemeinsam mit Priv.-Doz. Mag. Dr. Martin Stricker die Besonderheiten der strafrechtlichen Methodenlehre unter die Lupe zu nehmen.
Rechtswissenschaftler:innen fällt in diesem Zusammenhang wohl rasch das strafrechtliche Analogieverbot ein, das gleich zu Beginn des Vortrages besprochen wurde: § 1 StGB verbietet analoge Gesetzesanwendungen - zumindest zu Lasten von Rechtsunterworfenen. Klingt in der Theorie sehr eindeutig – in der Praxis ist die Abgrenzung allerdings oft gar nicht so einfach. So erläuterte Stricker etwa, warum eine aus § 8 StGB abgeleitete Strafbarkeit nach einem groben Fahrlässigkeitsdelikt als Verstoß gegen das strafrechtliche Analogieverbot eingeordnet werden kann. Spannende Fragen stellen sich auch im Zusammenhang mit Blankettstrafnormen, also strafrechtlichen Regelungen, die auf Bestimmungen in anderen Gesetzen Bezug nehmen: Um sich etwa durch Untreue strafbar zu machen, braucht es gem § 153 StGB eine „Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen […]“. Ob eine solche Befugnis vorliegt, wird nach dem Zivilrecht beurteilt. Kann nun auch eine (im Zivilrecht durch Rechtsanalogie gebildete) Anscheinsvollmacht eine Strafbarkeit begründen oder verstößt das gegen das strafrechtliche Analogieverbot?
In bestimmten anderen Konstellationen ist eine Analogie allerdings auch im Strafrecht zulässig: So findet sich zum Beispiel für den rechtfertigenden Notstand keine Regelung im Gesetz, vielmehr wird dieser durch Rechtsanalogie abgeleitet. Auch im Strafprozessrecht zeigte Stricker Beispiele auf, in denen der OGH den Anwendungsbereich von Bestimmungen zu Gunsten der Rechtsunterworfenen erweitert – etwa beim „erweiterten Erneuerungsantrag“ nach § 363a StPO.
Die Grenze zur verbotenen Analogie bildet immer der „äußerst mögliche Wortsinn“. Gerade deshalb und aufgrund des Bestimmtheitsgrundsatzes hat die Wortlautinterpretation im Strafrecht besondere Bedeutung. Dabei dürfen die übrigen Auslegungsarten allerdings nicht außer Acht gelassen werden. In diesem Zusammenhang wurde eine Entscheidung des OGH zum Bereicherungsvorsatz beim Betrug kritisch diskutiert, in dem dieser der Wortlautinterpretation im Vergleich zur systematischen und historischen Auslegung besonderes Gewicht beimaß. Zum Abschluss deckte Stricker noch seiner Ansicht nach „methodische Sünden“ der österreichischen Judikatur auf.
Die den unterhaltsamen und aufschlussreichen Vortrag abschließende Diskussion zeigte, dass strafrechtliche Methodenfragen auch für alle anderen Rechtsgebiete relevant sind. Es lohnt sich also, es mit den Finessen der Methodenlehre im Strafrecht sehr genau zu nehmen.