Herausforderungen des vergleichenden und interdisziplinären Forschens

18.04.2024

VO Angewandte Methoden der Rechtswissenschaft, Vortrag von Univ. Prof. Dr. Anuscheh Farahat

von Martin Bernard

Mit welchen Herausforderungen sind Rechtswissenschaftler:innen beim vergleichenden und interdisziplinären Forschen konfrontiert? Die vor kurzem an die Universität Wien berufene Univ.‑Prof. Dr. Anuscheh Farahat hatte dazu eine Vielzahl an Hilfestellungen und Einblicken parat – nicht zuletzt wegen eigener interdisziplinärer und vergleichender Forschung (insb Farahat, Transnationale Solidaritätskonflikte [2021]). Farahat unterschied zwei Konstellationen, die auch unterschiedliche Herausforderungen mit sich bringen.

Bei der Forschung allein („The lonesome cowgirl doing research“) ist es besonders wichtig, sich der Perspektive des eigenen Standpunkts bewusst zu machen. Während die dominante Disziplin wohl meist die Rechtswissenschaft ist, kann die Auswahl der dominanten Rechtsordnung bereits schwieriger sein. Auch allein Forschende sind auf Kooperationsparter:innen angewiesen, Forschungsaufenthalte und Gespräche mit Wissenschaftler:innen aus anderen Disziplinen sollten demnach eingeplant werden.

Arbeitet man im Team, sind die Gesprächspartner:innen bereits gefunden, an der Kommunikation zu arbeiten wird dadurch umso wichtiger. Um eine gemeinsame Sprache zu entwickeln, gibt es zwei Zugänge: Entweder schafft man eine gemeinsame Terminologie oder man bemüht sich um wechselseitiges Verständnis. Während Rechtswissenschaftler:innen beispielsweise Begriffe wie „Akteur“ oder „Theorie“ eher nonchalant verwenden, handelt es sich dabei in den Sozialwissenschaften um Schlüsselbegriffe, die heftig diskutiert werden. Hinsichtlich des Ziels der Forschung muss bei gemeinsamen Arbeiten für jede und jeden etwas dabei sein: Im Idealfall werden nicht nur Forschungsfragen der Rechtswissenschaft, sondern auch Fragen der anderen Disziplinen beantwortet, sodass sich keine Disziplin als bloße Hilfswissenschaft fühlen muss.

Den Schlüssel für gelungene interdisziplinäre oder vergleichende Forschung sieht Farahat im Verständnis. Verständnis für die anderen Rechtsordnungen beim vergleichenden, für die anderen Disziplinen beim interdisziplinären Forschen. Verständnis entsteht auch durch Gespräche und Erlebnisse, die sich zwar nicht unmittelbar verwerten lassen, einem aber ein Gefühl für die anderen geben. Ein solcher Schlüsselmoment war für Farahat etwa das Miterleben der Feierlichkeiten zur Nelkenrevolution in Portugal, bei der das faschistische Regime gestürzt und die demokratische Republik geboren wurde. Dadurch habe sie viel Gespür für die portugiesische Rechtsordnung gewonnen. Wir haben dank Univ.‑Prof. Dr. Farahat jedenfalls einiges an Verständnis über das vergleichende und interdisziplinäre Forschen gewonnen!