Rechtsfindungsmethoden des EuGH

20.06.2024

VO Angewandte Methoden der Rechtswissenschaft, Vortrag von Prof. Burkhard Hess

von Tess Bens

Der EuGH ist in zwei Gerichte untergliedert: Der Gerichtshof, der sich aus 27 Richter*innen und 11 Generalanwält*innen zusammensetzt, ist für Vorabentscheidungsersuchen, bestimmte Nichtigkeitsklagen und Berufungen zuständig. In der Praxis machen die Vorabentscheidungen den Großteil des Arbeitsanfalls aus. Das Gericht Erster Instanz, dem 54 Richter*innen angehören, entscheidet über Nichtigkeitsklagen von Einzelpersonen, Unternehmen und in manchen Fällen auch EU-Mitgliedstaaten. Der EuGH beschäftigt zudem zahlreiche weitere Jurist*innen, zum Beispiel im Übersetzungsdienst (600 Stellen), in der Kanzlei (50 Stellen) und im Wissenschaftlichen Dienst (50 Stellen). Außerdem unterstützen die einzelnen Richter*innen und Generalanwält*innen Kabinette, in denen ‚Référendaires‘ (insgesamt etwa 200 Stellen) und Assistent*innen (ca 90 Stellen) die Urteile und Schlussanträge vorbereiten. Nach Ansicht von Hess muss man die Rolle dieser Jurist*innen verstehen, um zu erkennen, wie der EuGH zu seinen Urteilen kommt.

Der internen Verfahrensschritte beim EuGH, nach der Satzung und Verfahrensordnung des Gerichtshofs, umfassen 1) das schriftliche Verfahren, 2) die mündliche Verhandlung, 3) Beratung, Abfassung und Verkündigung des Urteils, sowie schließlich dessen Kommunikation. Nach einer kurzen Erläuterung dieses Verfahrensablaufs, wandte sich Hess dem ‚Verfahren im Hintergrund‘ zu. In der Praxis des EuGH ist die Vorbereitung des Verfahrens besonders wichtig. Hess erörterte zunächst die Rolle der Kanzlei bei der Vorprüfung von Rechtssachen im Eingangsstadium. Er wies insbesondere auf die Aufgabe des Wissenschaftlichen Dienst hin, eine ‘fiche de pré-examen‘ zu erstellen, eine rechtliche Analyse jeder Rechtssache enthält. Sodann erklärte er die Zuteilung von Rechtssachen an die Berichterstatter*in und Generalanwält*innen. Die Vorbereitung der mündlichen Verhandlung erfolgt in einem ‘Rapport préalable‘‚ (Vorbericht, der bereits einen Entscheidungsvorschlag enthält. Zeitgleich erfolgt die Abfassung des Schlussantrags. In der gesamten Vorbereitungsphase kommt es zu einer engen Zusammenarbeit zwischen den Kabinetten des Berichterstatters und der Generalanwältin.  Letztlich entsteht das Urteil über mehrere Textstufen, die von der internen Datenverarbeitungssoftware des EuGH äußerlich vorgegeben sind. Die mündliche Verhandlung dient vor allem der Klärung offener Rechts- und Tatsachenfragen. Zum Abschluss thematisierte Hess die wechselnde Konzipierung der Präjudizien in der Rechtsprechung des EuGHs.

Die abschließende Diskussion zeigte, dass es wichtig ist, nicht nur die Methode und der Stil eines Gerichtsurteil zu untersuchen, sondern auch die innere Struktur eines Gerichts, die das Urteil erarbeitet. Besonderheiten bestehen bei internationalen Spruchkörpern, also auch und gerade beim EuGH.