von Nicole Bochnicek
Gibt es Besonderheiten der Methodenlehre im Strafrecht – oder gelten dort dieselben Grundsätze wie in anderen Rechtsgebieten? Mit dieser leitenden Fragestellung eröffnete Univ.-Prof. Dr. Farsam Salimi seinen Vortrag im Rahmen der Vorlesung „Angewandte Methoden der Rechtswissenschaften“ und setzte sich im Folgenden differenziert mit den Auslegungsmethoden in Bezug auf das Strafrecht auseinander.
Der Vortrag begann mit einem Überblick über die klassischen Auslegungsmethoden – von der Wortinterpretation über die systematische und historische bis hin zur teleologischen Interpretation. Salimi betonte dabei, dass sich insbesondere die Wortinterpretation im Strafrecht durch das Analogieverbot als besonders bedeutsam erweise. Dem Gesetzgeber dürfe grundsätzlich nichts Überflüssiges unterstellt werden. Fraglich erscheint dies jedoch, wenn der Gesetzgeber in den Materialien selbst von Klarstellungen spricht. Diese Thematik wurde anhand der §§ 21, 22 und 23 StGB veranschaulicht. Bei der historischen Interpretation hob Salimi hervor, dass neben Gesetzesmaterialien auch Protokolle der Strafrechtskommission herangezogen werden können. Dennoch gilt: Der Wille des historischen Gesetzgebers ist irrelevant, wenn der Wortlaut dagegenspricht.
Ein zentrales Thema des Vortrags stellte das Analogieverbot (§ 1 StGB) dar, dessen Reichweite (vom Tatbestand und den Rechtsfolgen bis hin zu Rechtfertigungsgründen) umfassend beleuchtet wurde. Am Beispiel der Cyberkriminalität zeigte Salimi, wie das Analogieverbot zu einem „Nachhinken“ des Gesetzes bei technologischen Fortschritten führen kann. Auch der zeitliche Geltungsbereich strafrechtlicher Normen wurde behandelt: Das Rückwirkungsverbot – als Ausprägung von § 1 StGB, Art 7 EMRK und Art 49 GRC – untersagt eine rückwirkende Belastung durch neue Strafgesetze, erlaubt aber die rückwirkende Anwendung milderer oder entkriminalisierender Regelungen. Ein weiteres methodisches Instrument wurde mit der teleologischen Reduktion vorgestellt – also der Beschränkung des Normanwendungsbereichs trotz klaren Wortlauts auf Basis des Normzwecks. Dies wurde durch ein Beispiel, nämlich den Anwendungsbereich des § 286 StGB, illustriert.
Zum Abschluss wurde das Analogieverbot im Strafprozessrecht diskutiert: Auch wenn § 1 StGB nicht auf die StPO anwendbar ist, so normiert § 5 StPO zumindest für Eingriffsbefugnisse ein explizites Analogieverbot. Abseits dieses expliziten Verbots davon zeigte Salimi anhand der Rsp zu § 363a StPO auf, wie der OGH den Anwendungsbereich von strafprozessualen Normen methodisch erweitert.
Der Vortrag endete mit einer kritischen Reflexion über methodische Zirkelschlüsse in der Judikatur – etwa zur Rechtsnatur des Verfalls (VfGH G 154/2015) – und unterstrich die Notwendigkeit präziser methodischer Argumentation im Strafrecht.